Günter Bader

Jerusalem, Jerusalem

Versuch über Verdopplung

Buch

13,5 × 21 cm | 64 Seiten | ISBN: 978-3-87062-331-9 | € 10,00

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Ist es nötig, über das irdische hinaus ein himmlisches Jerusalem anzunehmen? – Weniger die christliche, eher die jüdische Überlieferung (Ausreißer apokalyptischen oder gnostischen Einschlags ausgenommen) dürfte befähigt sein, der Verdopplung zu widerstehen und Jerusalem im sensus simplex zu halten.

Damit wird ein alter Streit berührt. Der jüdisch-christliche Antagonismus ist, wie Gershom Scholem deutschen protestantischen Theologen entgegenhält, die sich mir nichts, dir nichts ins jüdische Nest setzen, als sei es ihr eigenes, dem groben Schema gefolgt: Dort fleischliche Auffassung des Heils, hier geistliche; dementsprechend dort Bindung ans irdische, hier freie Aussicht aufs himmlische Jerusalem.

War es auch nur ein »Klischee«, mit dem Juden sich von christlicher Seite konfrontiert sahen: den Preis dafür bezahlten sie. Hier wirkt die Regel des Hieronymus, die den christlichen Leser instruiert, mit alttestamentlicher Prophetie so zu verfahren, dass er, was Juden nur als fleischliche Zukunft begreifen, als geistlich und schon zur Gegenwart geworden versteht. Wie auf der einen Seite der Christ Hieronymus vor dem Typus des rückfällig judaisierenden Christen warnt, so wird auf der anderen Seite das Spiegelbild des christianisierenden und hellenisierenden Juden gemalt, der es an zionistischem Ernst fehlen lässt und über dem tropischen Jerusalem das topische vergisst.